Reflexivität in der (Flucht-)Migrationsforschung
Ausgangspunkt des Projekts ist die Beobachtung, dass Forschung über (Flucht-)Migration in einem stark polarisierten Kontext stattfindet. Gleichzeitig ist der Bedarf an evidenzbasierter Information durch Wissenschaftskommunikation hoch, da Migrationsbewegungen und Steuerungsmaßnahmen komplex sind. Angesichts der Sensibilität dieses Themas, bei dem es um schutzbedürftige Menschen geht, ist eine reflexiv-kritische Haltung der Wissenschaftler*innen besonders wichtig, sowohl im Forschungsprozess als auch bei der Vermittlung der Ergebnisse an eine breitere Öffentlichkeit.
Um über die Rolle der Wissenschaft und ihren Beitrag für einen nachhaltigen Umgang mit Flucht und Migration nachzudenken, sehen wir die Notwendigkeit einer inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit. Unser Ziel ist es, unterschiedliche Perspektiven und Methoden in die Erforschung von (Flucht-)Migration zu integrieren und Kooperationen mit außerakademischen Akteuren aufzubauen. Bonn bietet für unser Projekt ein besonderes Potenzial, um solche kollaborativen Formate der gemeinsamen Wissensproduktion zu Flucht und Migration zu erproben. Die Stadt verfügt über eine hohe Dichte an Expertise im Forschungsbereich, sowohl in der universitären als auch in der außeruniversitären Forschung und Praxis. Diese Vielfalt an Forschungsansätzen und Schwerpunkten bietet einen idealen Ausgangspunkt für den transdisziplinären Dialog und die gemeinsame Reflexion.
In regelmäßigen Runden Tischen bringen wir Kolleg*innen zusammen, um Themen und Konfliktlinien zu erörtern, in denen Wissenschaft und nicht-akademische Praxis vor Herausforderungen stehen. Das Projekt wird erste Handlungsoptionen und -ansätze entwickeln, um einen konstruktiven Beitrag zum öffentlichen Diskurs und seiner politischen Handlungsdimension zu leisten, zum Beispiel durch die Teilnahme an der 5. Konferenz des Netzwerks für Fluchtforschung.
Das Projekt wird vom Transdisziplinären Forschungsschwerpunkt 'Individuen, Institutionen und Gesellschaften' der Universität Bonn finanziell unterstützt und in Kooperation mit der Bonner Forschungsallianz (BORA) und dem Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen e.V. (BIM) durchgeführt.
Projektteam
Dr. des. Maria Ullrich, Forum Internationale Wissenschaft (FIW)
Dr. Lena Laube, Forum Internationale Wissenschaft (FIW)
Bahia Amellal, Forum Internationale Wissenschaft (FIW)
Prof. Dr. Conrad Schetter, Bonn Centre for Conflict Studies (BICC)
Maarit Thiem, Bonn Centre for Conflict Studies (BICC)
Dr. Sandra Gilgan, Bonn Research Alliance (BORA)
Jure Leko, Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen e.V. (BIM)
Bonn Platform Forced Migration Studies - Fact And Figures
Kommende Veranstaltungen
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Die nächsten beiden Roundtables finden im Mai und September 2025 statt.
Vergangene Veranstaltungen
Am 12. Juni 2024 fand der 4. Roundtable Forced Migration Studies unter dem Titel: „Exploring Ethical Questions in Forced Migration Studies“ im Forum Internationale Wissenschaft statt.
Hintergrund für die thematische Fokussierung der Veranstaltung war, dass Forscher*innen und nicht-akademische Praktiker*innen gleichermaßen vor großen ethischen Herausforderungen bei der Bearbeitung von Fragen im Kontext (Flucht-)Migration stehen, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Politisierung des Themenfeldes und der besonderen Verletzlichkeit von Geflüchteten. Um der Komplexität dieser Herausforderungen in der Migrationsforschung gerecht zu werden, nutzte der Runde Tisch einen multiperspektiven Ansatz zur gemeinsamen Reflexion. Ziel war es, ethische Dilemmata zu erörtern und bestehende Forschungsansätze mit Blick auf ihre praktischen Implikationen zu diskutieren.
Die inhaltliche Grundlage für den gemeinsamen Austausch bildeten Kurzvorträge von Dirk Lanzerath (Universität Bonn), Shaden Shabouni (Bonn International Centre for Conflict Studies) und Jennifer Louise-Robinson (Universität Osnabrück). Diese führten in forschungsethische Fragestellungen ein und gingen auf Basis konkreter Forschungsarbeiten zu (Flucht-)Migration auf Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung sein. Um herauszufinden, inwieweit ethische Belange in die Forschung integriert werden können und sollten, wurde anschließend an vier Tischen mit unterschiedlichen Fragestellungen diskutiert.
Tische 1, moderiert von Lena Laube und Sandra Gilgan, beleuchtete die Rolle universitärer Institutionen bei forschungsethischen Fragen. Die Teilnehmenden dieses Tisches hielten es für wichtig, dass der Forschungsprozess institutionell begleitet wird, um beiden Seiten (Forschenden und Forschungsteilnehmenden) Sicherheit zu geben.
Tisch 2, der von Jure Leko und Bahia Amellal begleitet wurde, befasste sich mit der Rolle von Positionalitäten in der Forschung. Die Teilnehmenden betonten, dass Ungleichheiten zwischen den beteiligten Akteuren einen großen Einfluss auf die Forschung haben können und während des gesamten Forschungsprozesses berücksichtigt werden sollten.
Tisch 3 mit dem Titel „Nothing about us without us. Involving refugees in research and policymaking, opportunities and challenges“ unter Leitung von Maarit Thiem, Oksana Koshulko und Shaden Shabouni befasste sich mit ethischen Fragstellungen aus Perspektive Geflüchteter. Als wichtig wurde unter anderem erachtet, dass in der Zusammenarbeit mit Geflüchteten ethische Richtlinien eingehalten werden, um diesen durch die Forschung nicht zu schaden (do-no-harm-Prinzip).
Tisch 4, moderiert von Maria Ullrich und Elisabeth Kirndörfer, beschäftigte sich aus einer Metaperspektive mit der Frage, welche ethischen Aspekte für den Roundtable Forced Migration Studies selbst zu berücksichtigen sind. Solche ethischen Herausforderungen können sich beispielweise ergeben, wenn das Wissen von nicht-akademischen Praktiker*innen nicht wertgeschätzt wird und mögliche Machtverhältnisse zwischen den Gruppen in die Diskussion einfließen.
Die Agenda zur Veranstaltung können Sie hier einsehen.
Am 14. März 2024 fand der 3. Roundtable Forced Migration Studies unter dem Titel: „Was bewegt Bonn? Unsere Stadt im Kontext von Flucht und Migration“ im Bonner Migrapolis statt.
Bei diesem Runden Tisch diskutierten Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Praktiker*innen u.a. aus migrantischen Selbstorganisationen, Verwaltung, NGOs und Ehrenamt über ihre Erfahrungen und Perspektiven, um gemeinsam die Stadt Bonn im Kontext von Flucht und Migration besser kennenzulernen.
Nach Inputs von Jure Leko (Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen e.V.), Imamudin Hamdard (Afghanistan Studies & Cooperation Center e.V.) und Oleksii Nazarenk (Ukrainer in Bonn e.V.) zum Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure in Bonn fand der gemeinsame Austausch an vier Tischen mit unterschiedlichen Fragestellungen im World Café Format statt.
An Tisch 1, moderiert von Lena Laube und Maria Ullrich, wurde anhand eines Bonner Stadtplans erörtert, welche Orte in Bonn von den Teilnehmenden mit Flucht und Migration in Verbindung gebracht bzw. im Rahmen ihrer Aktivitäten aufgesucht werden. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Orte einem ständigen Wandel unterliegen und migrantische Gruppen fragmentiert sind, d.h. für unterschiedliche situative Kontexte und Personen können unterschiedliche Orte bedeutsam sein und werden.
Tisch 2, begleitet von Bahia Amellal und Sandra Gilgan, fragte nach Bedarfen und zukünftigen Dialogformaten im Kontext von Flucht und Migration in Bonn. Insbesondere Fragen des Arbeitsmarktzugangs und Spracherwerbs erwiesen sich aus Sicht der Diskutant*innen als zentral. Dabei beobachteten sie auch im lokalen Diskurs eine Unterscheidung zwischen "Zuwanderern, die man will" vs. "Zuwanderern, die man nicht will", die sich teilweise auch in der lokalen Willkommenspraxis widerspiegele.
Tisch 3 mit dem Titel „Was uns bewegt“, moderiert von Benjamin Etzold und Jure Leko, diskutierte aktuelle Themen und Herausforderungen im Bonner Migrationskontext. Einige der Teilnehmenden beobachteten eine zunehmende Fragmentierung der Stadtgesellschaft sowie eine Polarisierung um Fragen der Zuwanderung. Ein Potenzial der Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen und außerwissenschaftlichen Akteur*innen vor Ort wurde darin gesehen, zur Versachlichung des Diskurses beizutragen.
Die Agenda der Veranstaltung können Sie hier einsehen.
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1. Roundtable "Forced Displacement and Migration related Research" (17.05.2023).
Hier finden Sie die Ergebnisse des ersten Runden Tisches.
E-Mail-Liste
Um sich über das Projekt auszutauschen und über weitere Aktivitäten zum Thema Flucht und Migration in Bonn zu informieren, haben wir eine Mailingliste eingerichtet, die aktuell etwa 100 Personen umfasst. Bitte tragen Sie sich unter folgendem Link ein: https://listen.uni-bonn.de/wws/subscribe/bonnplatform-forcedmigration?previous_action=info
Kontakt: Dr. des. Maria Ullrich